Erreger

  • Varizella-Zoster-Virus (VZV), ein Herpesvirus

 

Infektionsmodus

  • Kontaktinfektion, d. h. direkter Kontakt mit den Bläschen; Tröpfcheninfektion von untergeordneter Bedeutung; Übertragung durch die Luft („Windpocken“) fraglich
  • Infektiosität ab 2 Tage vor bis 5 Tage nach Ausbruch der Hauterscheinungen

  • Die Gürtelrose/Herpes zoster (s.u.) ist nur gering ansteckend, da nur die virushaltige Bläschenflüssigkeit infektiös ist. (RKI 2010)

  • Inkubationszeit meist 14 – 16 Tage (10 – 21 maximal)

 

Infektionsverlauf

  • Schubweise auftretender, bläschenförmiger Hautausschlag an Haut und Schleimhaut, dann Verkrusten der Bläschen
  • Sonderformen:
  • Windpocken der Mutter in der Schwangerschaft führt in etwa 2% der Fälle zum so genannten fetalen Varizellen-Syndrom mit multiplen Fehlbildungen des Kindes an der Haut und dem zentralen Nervensystem
  • Neugeborenen-Windpocken: Windpocken der Mutter in der Zeit 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt führt oft zu schweren Verlaufsformen mit einem hohen Komplikationsrisiko
  • Windpocken bei immuninkompetenten Patienten (Angeborene Immundefekte, Kortison- oder Chemotherapie) verlaufen oft schwer mit einem hohen Komplikationsrisiko
  • Herpes zoster (Gürtelrose) ist ein Rückfall meist im höheren Lebensalter durch Reaktivierung der im Körper lebenslang verbleibenden VZ-Viren mit halbseitigen Nervenschmerzen und halbseitigem Hautausschlag

 

Komplikationen

  • Hautinfektionen mit Streptokokken, Abszessbildung, evtl. mit generalisierter Infektion; Lungenentzündung, Hepatitis, Gelenksentzündung, Herzmuskelentzündung oder immunologische Nierenentzündung
  • Kleinhirnentzündung mit Gangunsicherheit (Ataxie, gute Prognose; relativ häufig)
  • Hirnentzündung (Enzephalitis, schlechte Prognose; sehr selten)
  • Immunologische Entzündung der Hirngefäße (Vaskulitis) mit schlaganfallähnlichem Bild

 

Epidemiologie & Häufigkeit der Komplikationen

  • Da Windpocken in Deutschland erst seit Sommer 2013 meldepflichtig sind, fehlen verlässliche Zahlen zu Erkrankungshäufigkeit und Komplikationsrisiko – es existieren lediglich einige mit teilweise massiven methodischen Mängeln behaftete Studien:
  • So errechnet die ESPED (Erhebungseinheit für seltene pädiatrische Erkrankungen in Deutschland) in einer Untersuchung von 1997 für immunkompetente Kinder bis 16 Jahren eine Häufigkeit von Komplikationen, die eine stationäre Behandlung erforderlich machten von weniger als 1 pro 100.000 Kinder und Jahr, bleibende Folgeschäden wurden in dieser Untersuchung bei 6 Kindern festgestellt, Todesfälle wurden keine berichtet (Ziebold 2001).
  • Laut Statistischem Bundesamt (www.gbe-bund.de) verstarben an Windpocken 2011 7 Patienten, 2010 und 2009 jeweils 6 Patienten - von diesen war nur 1 Kind unter 15 Jahren dabei (ein Säugling im Jahr 2009).
  • Dies deckt sich mit der einschlägigen pädiatrischen Fachliteratur, derzufolge Windpockenkomplikationen im wesentlichen immungeschwächte Patienten oder nicht-immune Schwangere bzw. deren Kinder bedrohen, für die Mehrzahl der immunologischen Normalbevölkerung im Kindesalter jedoch in der Regel komplikationslos verlaufen.
  • Im Vorfeld der STIKO-Impfempfehlung ließ der Impfstoffhersteller eine methodisch völlig inakzeptable Telefonbefragung durchführen und als „Studie“ veröffentlichen – die erhobenen und daraus hochgerechneten Zahlen wurden in einschlägigen Fachzeitschriften mehrfach massiv in Frage gestellt. So litten fast 10% der beteiligten Kinder an Immundefekten, so dass die beobachteten knapp 6% komplizierter Verläufe theoretisch allein in dieser Untergruppe hätten stattfinden können. Darüber  hinaus entfiel ein Drittel der „Komplikationen“ auf Erkrankungen (_Bronchitis, Mittelohrentzündung), die nach heutigem Kenntnisstand in keinerlei Zusammenhang zu den Windpocken stehen (at 2004).
  • Die ESPED erhob 2003/2004 nochmals Windpocken-assoziierte Komplikationen, die zu stationärer Behandlung führten. Diesmal wurde – passend zur geplanten Impfempfehlung - eine Komplikationshäufigkeit von fast 4 pro 100.000 Kinder und Jahr gefunden (RKI 2005).

  • Eine niederländische Untersuchung aus dem Jahre 2014 bestätigte jedoch noch einmal die niedrigen Komplikationsraten: in den Niederlanden (wo die Windpockenimpfung nicht allgemein empfohlen ist) war eine stationäre Betreuung von an Windpocken erkrankten Kindern bei lediglich 2 von 100.000 Kindern und Jahr erforderlich (Lier 2014).

  • Zusammenfassend sind vor allem in ihrem Abwehrsystem beeinträchtigte Menschen von Windpockenkomplikationen bedroht – bei immunkompetenten Patienten verlaufen sie in der Regel unproblematisch und ohne Komplikationen.

  • Auch bei den Windpocken sind in der immunologischen Normalbevölkerung vor allem Säuglinge im ersten Lebensjahr und Erwachsene ab dem 16. Lebensjahr durch Komplikationen bedroht – genau in diese Altersgruppen drohen flächendeckende Impfprogramme jedoch die Erkrankungshäufigkeiten zu verschieben.

 

Besonderheiten

  • Kinder, die Windpocken durchgemacht haben, erkranken verglichen mit Windpockengeimpften wenn dann später und wesentlich leichter an Asthma bronchiale und haben eine geringere Allergiebereitschaft (Silverberg 2009)

 

Therapie- und Prophylaxemöglichkeiten

  • Mit Acyclovir steht ein wirksames virushemmendes Medikament zur Verfügung, das im Falle komplizierter Verläufe zur Anwendung kommt
  • Sonst: symptomatische Therapie mit juckreizstillenden Medikamenten
  • Wichtig: Keine Acetylsalicylsäure zur Fiebersenkung einsetzen!!

 

Passive Impfung

  • Bei hochgefährdeten Patienten eventuell Immunglobulingabe nach Inkubation

 

Literatur

arznei-telegramm 2004; 35; 80-8

Lier Av. Vaccine 2014. http://dx.doi.org/10.1016/j.vaccine.2014.04.034

RKI. EpiBull 2005 Nr. 13. Abruf 17.11.2013

RKI. Ratgeber für Ärzte - Windpocken. Stand 2010. Abruf 17.11.2013

Silverberg JI. Pediatric Asthma, Allergy & Immunology, 2009, Vol. 22, No. 1

Ziebold C. Pediatrics 2001; 108: E79–E85. Erratum: Pediatrics 113: 147