Der Trend in der Impfstoffherstellung und auch die offizielle Empfehlung der STIKO geht eindeutig in die Richtung, möglichst viele Impfstoffe in einer Kombinationsimpfung zusammenzufassen. So sinnvoll dies unter dem Aspekt erstens der geringeren Anzahl der Injektionen für das Kind und zweitens der geringeren Belastung mit den in jeder Impfung enthaltenen Begleit- und Hilfsstoffe (s. u.) sein kann, so sehr muss man - wie bei jeder Arzneimittelkombination - außer der Summe der Einzel-UAWs mögliche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Ingredienzien des „single one shot“ bedenken. Hier gibt es bis jetzt nur wenige Untersuchungen, die aber durchgehend eine verminderte Antikörperbildung bei Verwendung der Kombinationsimpfstoffe verglichen mit Einzelimpfungen aufzeigen:

  • Kinder, die gegen Haemophilus influenzae B (HIB) geimpft werden, entwickeln geringere Antikörper-Titer im Blut gegen zeitgleich geimpftes DPT (Clemens 1992)
  • Speziell der azelluläre, „moderne“ Keuchhustenimpfstoff scheint für Kombinationsimpfstoffe ein problematischer Partner zu sein: im Gegensatz zur Kombination mit dem „alten“ Keuchhustenimpfstoff senkt diejenige mit dem neuen auch die Antikörpertiter von gemeinsam geimpftem HiB-Impfstoff (Pichichero 1997)
  • Die bei älteren Kindern und Erwachsenen erzielten Antikörpertiter gegen Wundstarrkrampf und Diphtherie sind nach Impfung als Dreifachimpfstoff (dTaP) signifikant niedriger als nach der Zweifachimpfung (dT),. (Chapmann 2003), wogegen sie durch Kombination mit dem „alten“ Keuchhustenimpfstoff (DTwP) erhöht werden (Tiru 2000).
  • Ein neuer Kombinationsimpfstoff gegen Pneumokokken und Meningokokken führt sowohl zu einer schlechteren Immunantwort gegen Meningokokken verglichen mit der entsprechenden Einzelimpfung als auch zu verminderten Antikörperspiegeln gegen zeitgleich verabreichte Routineimpfstoffe wie DTPac (Buttery 2004).
  • Eine Literaturübersicht zum Vergleich von DTP-HiB-HB-Kombinationsimpfstoff auf der einen und DTP-HB-Impfstoff plus einzeln geimpftes HiB auf der anderen Seite kommt zu keinen klaren Ergebnissen: bei dem verwendeten 5-fach-Impfstoff sind die Antikörperspiegel gegen HiB und Hepatitis B geringer und die leichteren Nebenwirkungen häufiger (ernstere UAW waren vergleichbar häufig). Inwieweit ersteres jedoch eine klinische Bedeutung im Sinne eines verminderten Schutzes hat, bleibt ungeklärt (Bar-On 2009).
  • Eine deutliche Zunahme relevanter Nebenwirkungen zeigte der Vergleich von Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfstoff auf der einen und MMR-Impfstoff plus zeitgleich, aber separat verimpftem Windpockenimpfstoff auf der anderen Seite: der 4-fach-Impfstoff führte zu doppelt so viel Fieberkrämpfen als Impfreaktion wie die 3 + 1-Strategie (MacDonald 2014, Jacobsen 2009), zumindest im in Deutschland empfohlenen Alter für die Impfung: im 2. Lebensjahr (Ma 2015). Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2014 kommt hier zu noch schlechteren Ergebnissen: hier war das Fieberkrampfrisiko um den Faktor 4 erhöht (Schink 2014).

Die Anzahl der möglichen Wechselwirkungen zwischen den einzelne Ingredienzien steigt mit jeder weiteren exponentiell an – so kann es durchaus zu UAWs einer Kombination kommen, die für keinen der beteiligten Einzelimpfstoffe typisch ist:

  • So sind seit Einführung der beiden Sechsfachimpfstoffe Hexavac und Infanrix Hexa im Herbst 2000 EU-weit fünf Kinder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung (innerhalb von 24 Stunden) verstorben (at 2003). Vier Verdachtsberichte stammen aus Deutschland, einer aus Österreich. Bislang wurden in der EU rund 3 Millionen Kinder mit dem Sechsfachimpfstoff geimpft. Hieraus ergibt sich eine Häufigkeit von einem Verdachtsbericht pro 600.000 Kinder. Die verstorbenen Kinder waren zwischen 4 und 23 Monate alt. Sie galten zum Zeitpunkt der Impfung als gesund. Andere Todesursachen ließen sich nicht sicher nachweisen. Da bei drei der fünf Kinder Epilepsie in der Familie bekannt sein soll, wird Krampfleiden in der Familie als Risikofaktor diskutiert. Bei den vier deutschen Kindern wurde im Rahmen der Autopsie ein Hirnödem festgestellt. Nähere Einzelheiten werden nicht mitgeteilt. In den Stellungnahmen der Behörden fehlen zudem Informationen über die klinische Symptomatik, die dem Tod vorausging.

Die beiden Sechsfachimpfstoffe waren bereits bei ihrer Zulassung auffällig unverträglich. Als besonderes Problem gelten extreme Fieberanstiege mit Temperaturen über 40 Grad Celsius (at 2001). Nachdem mehrere Veröffentlichungen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Sechsfachimpfung und den Todesfällen für möglich hielten (Kries 2005, Zinka 2006) wurde einer der beiden auf dem Markt befindlichen Sechsfachimpfstoffe mittlerweile vom Markt genommen – offiziell wegen unzureichender Wirksamkeit gegen Hepatitis B. Die Glaubwürdigkeit dieser Begründung krankt jedoch daran, dass es hierfür bereits unmittelbar nach der Zulassung des Impfstoffes deutliche Hinweise gab...

 

Literatur:

arznei-telegramm. 2001; 32: 73-4

arznei-telegramm. 2003; 34: 56

Bar-On ES. Cochrane Database Syst Rev. 2009 Jul 8;(3):CD005530

Buttery J. JAMA 2004, 291, S. 1751

Chapman T. Drugs. 2003;63(13):1407-13

Clemens JD. JAMA 1992; 267:673-8.

Jacobsen SJ. Vaccine. 2009 Jul 23;27(34):4656-61

Kries R. Eur J Pediatr. 2005 Feb;164(2):61-9. Epub 2004 Dec 16.

Ma SJ. Vaccine. 2015 Jul 17;33(31):3636-49. doi: 10.1016/j.vaccine.2015.06.009. (Abruf 29.03.2016)

MacDonald SE. CMAJ. 2014 Aug 5;186(11):824-9. doi: 10.1503/cmaj.140078. Epub 2014 Jun 9.

Pichichero ME. Pediatr Infect Dis J 1997;16:863-70.

Schink T. Vaccine. 2014 Feb 3;32(6):645-50. doi: 10.1016/j.vaccine.2013.12.011.

Tiru M. Vaccine 2000;18:2295-306.

Zinka B. Vaccine. 2006 Jul 26;24(31–32):5779–80.